Grünklau Clouthgelände: Aneignung von öffentlichen Parks durch wen und was?

Ein Bericht über eine aktuelle, wahre Begebenheit aus der Stadt Köln. In den letzten Jahren zeigt sich eine Entwicklung in den großen Städten Europas, die darauf hinausläuft, dass nicht nur die alten, großkronigen Stadtbäume zunehmend abgeholzt werden. Auch die öffentlichen Grünflächen und Parkanlagen sind zunehmend von Verkleinerung, Zerschneidungen, Bebauung, Zerstörung und Wegnahme betroffen. Bekannt gewordene, spektakuläre Fälle sind z.B. Stuttgart 21 und der Gezi-Park in Istanbul.

Zunehmend wird das öffentliche Grün von Stadtverwaltung und Politik als scheinbar frei verfügbare, vorhandene Ressource betrachtet, mit der die Bauwirtschaft noch gutes Geld verdienen kann. Da die kommunalen Verwaltungen in den letzten Jahren unstrukturiert wurden und mit unternehmerischen Kosten-Nutzen-Kalkulationen ausgestattet worden sind, findet man diese bedenkliche Entwicklung hinzu Grünfraß und Grünklau auch in Köln. Die Bevölkerung wird dabei meistens ausgetrickst.

In Deutschland müssen Bauprojekte gewöhnlich eine Vielzahl von Planungen, Prüfungen, Begutachtungen, Beratungen und Entscheidungen durchlaufen, die gesetzlich verankert und demokratisch legitimiert sind. Diese Verfahren sind bereits unter normalen Umständen sehr umfangreich und vielschichtig, sodass viele Bürger und manch ́ein Lokalpolitiker sie oft nicht hinreichend verstehen. Am Beispiel des Johannes-Giesberts-Parks in Köln-Nippes wird hier dargestellt, wie ein solcher Angriff auf eine öffentliche Grünfläche systematisch eingeleitet und durchgezogen wird. Wir zeichnen hier die komplexen und oft undurchsichtig gehaltenen politischen und verwaltungstechnischen Vorgänge Schritt für Schritt nach, wie sie sich um das Clouth-Neubau-Projekt und den Johannes- Giesberts-Park abspielen.

I. Stadtquartier Clouth-Gelände in Köln-Nippes
1. Schritt: Der Bebauungs-Angriff auf den Johannes-Giesberts-Park in Köln Nippes begann im Jahr 2004 als von der Stadt Köln ein sogenannter „Städtebaulicher Realisierungswettbewerb“ für das Gelände der ehemaligen Clouth-Werke, einer ehemaligen Gummi, Kunststoff, und Waffen produzierenden Fabrik im Kölner Norden ausgerufen wurde (1). Das 14,5 ha (145.000 qm) große Clouth-Gelände wurde irreführender Weise vom Stadtplanungsamt Köln als ein Gelände von 25 ha Größe ausgewiesen (2).

Der vom Stadtplanungsamt veröffentlichte Lageplan des Wettbewerbgeländes zeigt denn auch, wie es zu dieser sonderbaren Vergrößerung gekommen war: der nördliche Teil des direkt an das Clouth-Gelände angrenzenden Johannes-Giesberts-Park hat eine Größe von 10,5 Hektar und wurde dem Wettbewerbsgebiet einfach angehängt (3 ).

Die öffentlichen Parks sind in ihrem Bestand durch sogenannte Flächennutzungspläne festgesetzt, so auch der Johannes-Giesberts-Park (4.1). Er ist durch den rechtskräftigen Bebauungsplan 6648 Sd/02 (67480/02) aus dem Jahr 1968 gesichert (4.2). Dieser setzt den Park als öffentliche Grünfläche/Parkanlage fest. Zur Klärung der Gegebenheiten hat das Stadtplanungsamt im Mai 2004 die teilnehmenden Stadtplaner und Architekten zu einem Ortstermin mit anschließendem Fachgespräch eingeladen. Hierzu wurde ein Ergebnisprotokoll über das Kolloquium zum städtebaulichen Realisierungswettbewerb „Clouth-Gelände in Köln-Nippes“ veröffentlicht. (7.1)

Das Ergebnis dieses Fachgesprächs sieht u.a. vor, den gesamten Baumbestand (Gehölzstreifen) am westlichen Rand des Parks zu erhalten. (Siehe hierzu die Antwort auf Frage 23 im Ergebnisprotokoll.) Wie ist es möglich, dass das Stadtplanungsamt eine geschützte öffentliche Grünfläche, die nicht zum Bereich des Clouth-Geländes gehört, einfach dem Wettbewerbsgelände zuschlägt? Gibt es dafür eine gesetzliche Grundlage?

2. Schritt: Der „Städtebauliche Realisierungswettbewerb“ führte im Jahr 2006 zu einer „Städtebaulichen Rahmenplanung zur Entwicklung des Stadtquartiers Clouth in Köln-Nippes“ (5). Der beabsichtigte Umbau des Clouth-Geländes wird der Öffentlichkeit durch die kommunale Projektentwicklungsgesellschaft „Moderne Stadt GmbH“ vorgestellt. Zentrale Aufgabe dieser Gesellschaft in Sachen Clouth ist die optimale Vermarktung des Areals. Die Städtebauliche Rahmenplanung verdeutlicht, wie der Johannes-Giesberts-Park umgebaut werden soll (6), hier ein Luftbild des Parks vor dem Umbau.

a) Es ist die Absicht des Investors „Moderne Stadt GmbH“, einen Großteil des waldähnlichen Gehölzriegels entlang der Bebauungsgrenze (etwa 400m lang) zum Clouth-Gelände abzuholzen! Hier das „Lieblingsbild“ des ehemaligen Baudezernenten der Stadt Köln und jetzigen Geschäftsführers der „Moderne Stadt GmbH“, Bernd Streitberger. (7) Streitberger hat mit diesem Ausschnitt der Städtebaulichen Rahmenplanung seine „Vision“ des zukünftigen Johannes-Giesberts-Parks im Jahr 2013 öffentlich beworben. In seinem Wunschtraum des zukünftigen Clouth-Geländes kommt der waldähnliche Baumstreifen im Johannes-Giesberts-Park nicht mehr vor. Streitberger missachtet damit das“ Ergebnis-Protokoll über das Kolloquium zum städtebaulichen Realisierungswettbewerb Clouth-Gelände in Köln-Nippes“. Darin wird der Erhalt der Bäume festgelegt. (7.1)

b) Zu erkennen sind auf dem „Lieblingsbild“ des Herrn Streitberger auch fünf von Ost nach West verlaufende Straßenzüge, die aus dem Clouth-Gelände kommen und in den Park führen sollen. Die Straßen sind mit einer Breite von drei Metern durch Schneisen von jeweils acht Metern durch den Gehölzstreifen vorgesehen. Sie sollen bis zum nord-südlichen verlaufenden Hauptweg des Parks verlängert werden. Dabei würde der gesamte westliche Teil des Parks in sechs Teilflächen zerschnitten werden.

3. Schritt: Auf dem Clouth-Gelände sollen ca. 1.000 hochwertige Wohnungen für ca. 2.500 zahlungskräftige Kunden errichtet werden. Der Bebauungsplan für das Clouth- Gelände mit der Nr. 67480/03 der Stadt Köln erhielt seine Rechtskraft am 30.06.2009. (10) Er enthält keine genehmigten Wegeverbindungen in den JG-Park, siehe auch den Geltungsbereich des Clouth-Bebauungsplans. Aus dem schriftlichen Teil des rechtskräftigen Bebauungsplans geht hervor: „Durch die geplante Wohnbebauung wird eine zusätzliche öffentliche Spielplatzfläche von 5.250 qm (~0,5 ha) benötigt. Der Bedarf wird teilweise im Plangebiet (des Clouth- Geländes) und teilweise im angrenzenden Johannes-Giesberts-Park sichergestellt.“ (8 ) (siehe Anlage 5 des rechtskräftigen Bebauungsplans des Clouth-Geländes, Seite 3) Dies steht schlicht im Widerspruch zur Landesbauordnung NRW (BauO NRW), § 9 Absatz 2. (9.) und . Diese besagt, „ein Gebäude mit Wohnungen darf nur errichtet werden, wenn eine ausreichende Spielfläche für Kleinkinder auf dem Grundstück bereitgestellt wird.... Die Größe der Spielfläche richtet sich nach Zahl und Art der Wohnungen auf dem Grundstück.“ In Anbetracht der Größe des Clouth-Geländes ist es unverständlich, dass hier nicht der gesamte, gesetzlich vorgeschriebene Spielplatzbedarf gedeckt wird.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Stadt Köln seit Jahren Spielgeräte auf Kinderspielplätzen in Ermangelung finanzieller und personeller Ausstattung zurückbauen muss, da sie Unterhalt und Pflege der Einrichtungen nicht sicherstellen kann. Doch genau das verlangt ohne Ausnahme die Landesbauordnung NRW. Warum wird überhaupt mit dem Gedanken gespielt, gesetzlich vorgeschriebene Kinderspielflächen bei größere Bauvorhaben in öffentliche Grünflächen zu verlegen? Die Antwort könnte darin liegen, dass der Investor der geplanten Bebauung sich der Bereitstellungspflicht entziehen will, in dem der gesetzlich vorgeschriebene Spielplatzbedarf zu Lasten der Erholung suchenden Bevölkerung auf öffentlichem Grund und Boden, also im Johannes Giesberts-Park gedeckt wird.

4. Schritt: Ungeachtet dessen bezeichnete der Bezirksbürgermeister von Nippes, Bernd Schößler, SPD, auf einer öffentlichen Informations-Veranstaltung der „Moderne Stadt GmbH“ am 28.02.2013 die Neuanlage von fünf Wegen in den Park als „politischen Willen.“ Drei Jahre nachdem der Bebauungsplan genehmigt wurde, der ausdrücklich keine Wege in den Park vorsieht, soll es politischer Wille sein, fünf Wege in den Park zu bauen?

5. Schritt: Mitte Januar 2014 taucht die Beschlussvorlage Johannes-Giesberts-Park in Köln- Nippes Nr. 3344/2013 des Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen (im Text als Grünflächenamt bezeichnet) auf. Hier der schriftliche Teil.(11) Hier der zeichnerische Teil. (12)

Sie wird zu einem denkbar späten Zeitpunkt nur wenige Tage vor der angestrebten Beschlussfassung der Bezirksvertretung Nippes veröffentlicht und enthält ein neues „Konzept zur Grünplanung des Johannes-Giesberts-Parks“. Dieses sogenannte Konzept sieht vor, den Park weitgehend gemäß den Vorstellungen der Investoren umliegender Bauvorhaben umzugestalten. Es wird begründet mit der zukünftigen Bebauung des Clouth-Geländes, sowie der geplanten Wohnbebauung an der Xantener Strasse (13) und der Wohnbebauung an der Amsterdamer Strasse (14). Hierdurch würden sich die Nutzungsansprüche an den Park wesentlich verändern; man müsse auf den Nutzungsdruck durch die benachbarte Wohnbebauung eingehen. Wörtlich heißt es: „Ziel der vorgelegten Grünplanung ist es, die im Bebauungsplan festgelegte Anbindung des Clouth-Geländes an die bestehenden Parkstrukturen herzustellen.... Die Bebauung des Clouth-Geländes erfolgt nach dem rechtskräftigen Bebauungsplan 67480.03, der fünf Verbindungswege zur öffentlichen Grünanlage vorsieht.“

Die vom Grünflächenamt ausgearbeitete Beschlussvorlage täuscht der Bezirksvertretung in der Begründung nicht vorhandene Sachverhalte vor. Denn laut rechtskräftigem Clouth-Bebauungsplan (10) enden die 5 Straßen an der östlichen Bebauungsgrenze und führen nicht in den Park! Es sind keine Fuß- und Radwege vorgesehen, daher auch nicht genehmigt. Zur Veranschaulichung: im Westen des Clouth-Bebauungsplanes ist eine Wegeverbindung zur Niehler Strasse genehmigt und ausdrücklich als Fuß- und Radweg dargestellt. Es besteht also gemäß des rechtsgültigen Clouth-Bebauungsplan keine Rechtsgrundlage, Wege in den Park zu bauen. Darauf hat die Bürgerinitiative Johannes-Giesberts-Park, die sich zu Anfang des Jahres 2013 gegründet hat, wiederholt klar und deutlich hingewiesen. www.giesbertspark.de . Die Initiative hat Sorge, dass bei Realisierung der Pläne ein großer Teil des Baumbestands gefällt werden wird. Ferner sollen unnötige, neue Wege durch den Park gebaut werden, und die Kinderspielfläche für das Clouth- Gelände soll teilweise in den Park ausgelagert werden. Die Bürgerinitiative fragt sich, ob auf diese Weise Flächen des Parks für die Baufirma „Moderne Stadt GmbH“ zum Zwecke der Gewinnmaximierung herangezogen und benutzt werden sollen.

Selbst wenn „Moderne Stadt GmbH“ zu 100% eine Tochter der privatisierten Stadtwerke Köln ist , würde die öffentliche Grünanlage Johannes-Giesberts-Park für den Erholungssuchenden unnötigerweise verkleinert und der Nutzungsdruck durch den Wohnungsbau auf dem benachbarten Clouth-Gelände vergrößert. In wessen Taschen werden die zu erwartenden, zusätzlichen Gewinne der Firma Moderne Stadt GmbH wohl fließen?

Kurios wirkt dabei, dass der Geschäftsführer der „Moderne Stadt GmbH“ der ehemalige Baudezernent der Stadt Köln, Bernd Streitberger ist. Streitberger hat im Juli 2012 seinen Posten als Baudezernent zugunsten der Geschäftsführung bei der „Moderne Stadt GmbH“ frühzeitig aufgegeben. In seine Amtszeit fallen u.a. die Planung der Nord-Süd-Bahn (mit dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs), sowie die Städtische Rahmenplanung zum Umbau des Clouth-Geländes.

Kurios ist auch, dass Baudezernent Streitberger der Vorgesetzte des Stellvertretenden Amtsleiters Dr. Joachim Bauer vom Amt für Landschaftspflege und Grünflächen war, siehe hierzu den Geschäfts- und Dezernatsverteilungsplan der Stadt Köln (16). In Köln ist das Grünflächenamt nicht dem Umweltamt unterstellt, sondern dem Bauamt. Die Beschlussvorlage zum Johannes-Giesberts-Park enthält auffallend viele Ungereimtheiten, unzutreffende Behauptungen und Widersprüche zum Clouth- Bebauungsplan (16.1)

Zum Schluss der Begründung der Beschlussvorlage baut das Grünflächenamt eine vollständig konstruierte Argumentationskette auf: es reicht den Investoren umliegender Bauvorhaben scheinbar nicht aus, Kinderspielplätze zu Lasten der Allgemeinheit in den Park zu verlegen. Zusätzlich soll plötzlich auch die unliebsame Hundefreilauffläche im Park verdrängt werden. Ohne ein stichhaltiges Argument für dieses Vorhaben vorweisen zu können, gibt man sich beim Grünflächenamt weitsichtig. Wider besseres Wissen beschwört man Nutzungskonflikte zwischen Eltern mit ihren Kindern und Hundehaltern mit ihren Tieren herauf. Die Behörde macht ohne Anlass Stimmung gegen Hundehalter. Dabei übergeht sie den einstimmigen Beschluss der Bezirksvertretung Nippes zur Hundefreilauffläche Johannes-Giesberts-Park vom 19.05.2005 (18).

Dieser besagt: „Im Johannes-Giesberts-Park wird eine Hundefreilauffläche wieder als solche ausgewiesen und entsprechend gekennzeichnet. Die Beschilderung ‚Liegewiese‘ ist instand zu setzen. Im Zuge der Clouth-Bebauung ist der Spielplatz wieder herzustellen.“ Kinderspiel und Hundefreilauf führen im Johannes-Giesberts-Park seit Jahren ein friedfertiges Zusammenleben. Nur passt das nicht in das sogenannte Konzept der Behörde. Besitzt das Grünflächenamt hinreichende Kompetenz um fachlich versierte Aussagen zum Themenkomplex „artgerechte Hundehaltung“ treffen zu können? Wenn nicht, welches Dezernat bei der Stadt kennt sich damit aus?

Wird fortgesetzt...

Siehe auch www.giesbertspark.de

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