Versorgungskrise und Ernährungssicherheit
Warum ein Land eine eigene produktive Landwirtschaft braucht und wo die «grüne» Kritik an der Landwirtschaft falsch ansetzt
von Hans Bieri aus der schweizer Genossenschaftszeitung "Zeit-Fragen".
Landwirtschaft unter dem Druck von Deregulierung, Siedlungswachstum und Kulturlandverlust
Die Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft, kurz SVIL hat sich stets klar und unmissverständlich gegen eine Dezimierung der produktiven Landwirtschaft gewandt. Seit den 1980er Jahren gerät die landwirtschaftliche Eigenversorgung jedoch immer mehr unter Druck:
- Die WTO verlangte eine Öffnung des Agrarfreihandels. Die warnenden Stimmen, welche die Landwirtschaft auch weiterhin nicht in die Freihandelsverhandlungen einbeziehen wollten – so wie das mit dem GATT während Jahrzehnten der Fall war –, wurden ebenso in den Wind geschlagen wie die historischen Erfahrungen mit Versorgungskrisen. Neu galt in der WTO, dass der Abbau der Handelsschranken auch die Versorgungsicherheit im Ernährungsbereich erhöhe, was sich nun immer deutlicher als Irrtum zeigt, den man hätte vermeiden können.
- Boden- und Kulturlandverlust rücken von zwei Seiten her vor: einerseits infolge der zu hohen Einwanderung mit daraus folgendem Siedlungswachstum (Arbeitsplätze, Wohngebiete, Versorgungsinfrastrukturen) und andererseits infolge von Rückbau von Kulturland für den Naturschutz.
- Das Hofsterben wegen zu tiefer Einkommen und Bodenverlust geht weiter.
- Von den Schutzorganisationen wurde die Ökologiedebatte einseitig der Landwirtschaft aufgezwungen, anstatt zuerst die aus der Gesamtwirtschaft stammenden Konfliktursachen anzugehen. Grüne Reformkreise meinen, man könne das Ökologieproblem durch Herunterfahren der Produktion und eine davon getrennte Naturpflege lösen. Damit wurde die Landwirtschaft gezwungen, bei gesamthaft unveränderten Direktzahlungen und Produktionsleistungen zusätzliche nicht entschädigte Pflegeleistungen (Kulturlandschaftspflege, Biodiversitätsbeiträge für die Artenvielfalt und besonders naturnahe und tierfreundliche Produktionsformen usw.) zu erbringen.
Dazu kommt, dass die ökologische Kritik keinen Zusammenhang zwischen der Bevölkerungs- und Siedlungsdichte der Schweiz und der schwindenden Artenvielfalt erkennen will, sondern diesen Konflikt allein der Landwirtschaft anlastet. Immer mehr wurde die Agrarpolitik auch zum Objekt für erweiterte Ansprüche an die Lebensumwelt. Dabei werden der Landwirtschaft immer einschneidendere ökologische Vorschriften gemacht, ohne dass die gesamtwirtschaftlichen Ursachen der Umweltverschlechterung angegangen werden. Auch die Label-Organisationen der Bio-Landwirtschaft konzentrieren sich allein auf die Vermarktung ihrer Alleinstellungsmerkmale, ohne den gesamtwirtschaftlichen Grundkonflikt der Unterbezahlung der Landwirtschaft anzugehen.
Wegen dieser Vielfalt der Konflikte hat das Parlament die Agrarpolitik AP 22 abgebrochen und den Bundesrat beauftragt, auf den Sommer 2022 ein überarbeitetes Konzept vorzulegen.
Lieferketten – das neue Problem
Nun kommen zum bereits strapazierten Verhältnis zwischen Bevölkerungszahl und Bodengrundlage einmal mehr zusätzliche Unsicherheiten bei der Versorgung durch Importe hinzu. Bisher waren die globalen Versorgungsketten – man müsse nicht alles selbst produzieren, könne ja jederzeit alles importieren – gegen alle Warnungen das Hauptargument für Deregulierung und Freihandel. Heute nun sind gerade die Versorgungs- bzw. Lieferketten der wunde Punkt, der sich in deutlichen Preissteigerungen bei Rohstoffen zeigt.
Damit ist auch die Versorgungslage für die Schweiz — mit einem Selbstversorgungsgrad von knapp 55 % und einem hohen Importanteil — vor dem Hintergrund dieser sich steigernden Wirren mehr als unsicher geworden. Aus diesen Gründen ist der Ruf nach einem "Plan Wahlen 2.0" (siehe Plan Wahlen 1941, die Kartoffel- und Brotgetreidefläche zu erweitern und die Ernährung anzupassen) -politische Vorsorge. Das heisst heute: eine notprogrammmässige Wiederausdehnung der Ackerfläche, Rückgewinnung der Extensivierungsflächen und keine weiteren Gewässeraufweitungsprojekte (durch Renaturierung, das heisst Verbreiterung der Fliessgewässer), welche der Landwirtschaft, nach Aussage der Schutzorganisationen selbst, bis 50 000 ha bestgelegene und bewässerbare Flächen entziehen.
Es geht jetzt um die sichere Versorgung bei gestörter Zufuhr, worauf sich die Agrarpolitik pragmatisch auszurichten hat.
Die gleichen Überlegungen gelten auch für den geforderten Absenkpfad, das heisst die politische Zielvorgabe, anhand welcher der Einsatz von Hilfsstoffen in der Landwirtschaft Zug um Zug reduziert werden soll. Eine Reduktion der Hilfsstoffe führt zu einem Produktionseinbruch – die sich abzeichnende Krise ist dafür sicher der falsche Moment. Deshalb ist es auch falsch, der Landwirtschaft zusätzlich zum bisherigen ohnehin laufenden Anpassungsprozess einen Absenkpfad aufzulasten und dies erst noch angesichts steigender Energie- und Rohstoffpreise bzw. steigenden Produktionskosten. Um Hilfsstoffe durch eine ökologische Intensivierung ersetzen zu können, muss der heutige Industrialisierungsdruck auf die Landwirtschaft behoben werden. Denn dieser ökonomische Druck verhindert die ökologische Intensivierung. Eine solche bedarf eines längerfristigen Rekultivierungsprozesses. Massnahmen, welche die Produktion abwürgen und «kambodschanische Verhältnisse» (Pol Pot, Rückfall in Armut und Hunger) riskieren – oder umgekehrt, unsere Lebensgrundlage den ökonomisch erzeugten Konflikten anpassen, sind verfehlt.
Gegen die Selbstversorgung wird neuerdings angeführt, Hilfsstoffe wie Dünger, Diesel und Futtermittel müssten ohnehin importiert werden, was eine Selbstversorgung so oder so illusorisch mache. Eine solche Argumentation trägt lediglich dazu bei, den aktuell tiefen Selbstversorgungsgrad in dieser Krise weiter zu senken, anstatt zu erhöhen. Denn gerade Kraftstoffe und Dünger aus fossiler Quelle sind problemlos in ausreichender Menge lagerbar.
Dass vor wenigen Jahren im Landesversorgungsgesetz die Lagerhaltung gegenüber früher deutlich reduziert wurde, scheint auf der Linie jener «Politik» zu liegen, welche heute Versorgungsengpässe in menschenverachtender Weise geradezu herbeiführt.
Die Ambivalenz der ökologischen Kritik an Landwirtschaft und Industrie
und die Gefahr einer globalen Hungersnot
Immer drängender stellt sich die Frage, welcher Agenda «grüne» Politik folgt? Gerade in der jetzigen Krise, in der die Eigenproduktion gesichert und erweitert werden sollte, kritisieren diese Kreise die produktive Landwirtschaft und wollen auch die Zufuhr von fossiler Energie und Hilfsstoffen unterbinden. Nicht nur die Düngerproduktion wird tangiert, auch die Getreidepreise schnellen wegen unterbrochener Lieferketten sowie wegen bisher nie dagewesener Eigentumsübergriffe im Zahlungswesen (Sanktionen) in die Höhe. Der globale Hartweizenpreis verdoppelte sich laut Bloomberg von bisher etwa 20 Dollar pro dt (Dezitonne) im Jahre 2020 auf 38 Dollar pro dt im Dezember 2021. Die USA halten sich inzwischen als Nettoimporteur mit ihren selbstgedruckten Dollars am Weltgetreidemarkt schadlos. Aktuell steigt der Preis weiter auf 45 Dollar pro dt. Damit wird die Ernährung für Millionen von Menschen nicht mehr bezahlbar. Covid hat die Lieferketten zerbrochen, Indien hat Hitzewellen, auch in Europa drücken fehlende Niederschläge die Erträge. Westliche Sanktionen blockieren schockartig den fossilen Energieverbrauch und damit die Fabrikation von der Düngemittelherstellung bis zur Industrieproduktion. Wenn man all diese auf der Geld- und Rechtsebene inszenierten Störungen zusammenrechnet, drohen markante Versorgungsengpässe. Tatsächlich betrugen die Exportanteile von Russland und der Ukraine an der weltweiten Weizenproduktion zusammen vor der Krise etwa 3 %. Nicht die Produktionsmenge ist das Problem, sondern die Explosion der Preise durch Sanktionen und Störung der Logistik.
Und als ob das nicht genug wäre, wird aus Gründen der «Ökologie» ein Energieversorgungsnotstand und eine Zerstörung der Wirtschaft «in Kauf genommen». Wem dient ein solches Vorgehen, das offen eine Versorgungskrise ansteuert?
Nur die Industrie kann langfristig die Entropie (Umweltbelastung) senken. Die gesuchte «ökologische Wende» kann deshalb gerade nicht bei der Verteuerung der Energie beginnen. In Wirklichkeit ist die Reduktion des Rohstoffverbrauches das langfristige Produkt einer KMU-getragenen Technologieentwicklung, die nun durch die Sanktionspolitik geschädigt wird. Diese Zusammenhänge werden von den Schutzorganisationen übersehen!
Was die Welternährung angeht, so sind die entstandenen Abhängigkeiten in der Getreideversorgung des Nahen und Mittleren Ostens und Nordafrikas die Folge vorangegangener globalpolitischer Kriege. Im Irak und dann auch in Syrien wurde eine reiche Getreidekultur zerstört, was auch in diesen Ländern die Abhängigkeit von Getreideimporten erhöhte. Dies hat wiederum die Spezialisierung Osteuropas auf die Produktion von Nahrungsmittelrohstoffen erhöht.
Es ist keine fortschrittliche Politik, diese international entstandenen gegenseitigen Interdependenzen als Angriffsfläche für Sanktionen zu missbrauchen, um internationale Notsituationen und politisch verwertbare Schockstrategien auf den Weg zu bringen. Sollen die Konsumenten leidvoll erfahren, wie es ist, wenn der Gashahn zugedreht wird und die Düngerproduktion unterbrochen wird?
Wie erklärt sich die langjährige Opposition gegen Nord Stream 2? Geht es um «Ökologie und Klima» oder doch um den Zugriff auf Gasressourcen bzw. um die Frage, wem diese «regelbasiert» künftig gehören sollen? Der ökologische Konflikt gerät auf diesem Weg immer mehr zum ohnmächtigen Anhängsel im wirtschaftlichen Konflikt um die Ressourcengrundlagen. Durch die Zerstörung selbstversorgender Volkswirtschaften werden international störanfällige Abhängigkeiten und enorme Angriffsflächen für Interventionen, Sanktionen usw. geschaffen. Die Energieembargos verschärfen die internationalen Krisen. Mit Versorgungs- und Hungerkrisen wird jedes gesellschaftliche Leben in die Abhängigkeit von globaler Verhaltensregulierung gebracht. Dies ist offensichtlich der Versuch, die bisherige koloniale Vorherrschaft fortzusetzen. Dass ein Energieembargo allen Ernstes als Beitrag zur Nachhaltigkeit verstanden wird, zeigt dabei den fortschreitenden wirtschaftlichen und politischen Realitätsverlust.
Die emanzipatorische Kraft der Industrie und ihre Fähigkeit, das Entropieproblem zu lösen, werden durch diese angeblich «ökologische» Energiepolitik zerstört. Es ist ein Rückfall in eine unmündige Gesellschaft, welche das Leben, die Stoff- und Energie-flüsse obrigkeitlich und opferreich «regelt». Dieser durch den «Great Reset» geförderte Prozess führt zur Ökodiktatur.
Es sei denn, Europa bringt die revolutionäre Kraft auf zu einem eidgenössischen Europa von Lissabon bis Wladiwostok – gegen die sich immer stärker ausbreitende imperiale Re-Feudalisierung unter transatlantischen Vorzeichen. •
1 Bernhard, Hans. Die Innenkolonisation der Schweiz. https://www.sgvs.ch/papers/sjesBackIssues/1918_PDF/1918-I-26.pdf
2 Polanyi, Karl Paul. The Great Transformation. S. 267 (https://inctpped.ie.ufrj.br/spiderweb/pdf_4/Great_Transformation.pdf), Erstauflage 1944
Hier der ganze Artikel: https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2022/nr-26-29-november-2022/versorgungskrise-und-ernaehrungssicherheit
Kölner Großmarkt
Internetseite der Händlergemeinschaft des Kölner Großmarkts: https://www.koelner-grossmarkt.de/themen/koelner-grossmarkt/
Eine aktuelle Skizze der Problematik auf dem Kölner Großmarkt aus der Sicht der Händler im Herbst 2022
Ist die Großmarktverlegung eine gute Idee?
Laut Masterplan, (einen als Generalplan gedachter städtebaulicher Entwicklungsplan) des unternehmerfreundlichen Architekten Albert Speer (77), Sohn des Adolf´schen Speers, soll der innerstädtische Grüngürtel erweitert werden, um direkt nebendran ein neues Veedel bauen zu können. Auf einer Fläche von ca.100 Hektar, die an der Luxemburger Straße beginnt und am Gustav-Heinemann-Ufer am Rhein endet, soll ein Sanierungsgebiet ausgerufen werden. Die Kölner Stadtverwaltung hat im Auftrag der Bauwirtschaft und der Politik den Abriss und die Verlegung des Großmarktes nach Köln Marsdorf geplant, obwohl die Bevölkerng ihn da nicht haben will. Das teure und unsinnige Projekt wird medial hochgejubelt und soll bis zum Jahre 2020 realisiert werden. Die Ausführungen des Stadtplanungsamts, haben den Titel „Entwicklungskonzept südliche Innenstadterweiterung“, kurz ESIE.
Die Planung der Stadt Köln ist unrealistisch, weil dort wo vor wenigen Jahren erst Neubauten genehmigt worden sind (direkt am Rheinufer), soll Grüngürtel entstehen und dort wo jetzt freies Feld ist (Gelände der Dombrauerei), dort soll bebaut werden. Hier ein Luftbild von dem Gebiet.
Es stellt sich die Frage, dient der geplante Abriss und die geplante Verlegung des Großmarkts dem Gemeinwohl oder ist es nur der notwendige Vorlauf für die Schaffung eines freien Spielfeldes für die Bau-Konzerne?
Was ist der Großmarkt und wer will den Großmarkt überhaupt verlegen?
Hier drei Karten zu den
- aktuellen Eigentumsverhältnissen in dem Gebiet des Großmarkts und eine
- Skizze des zukünftigen Nutzungs-Konzepts der Stadtverwaltung auf dem möglicherweise frei werdenden Gelände.
Eine völlig unnötiger U-Bahn Linie - die Nord-Süd Bahn - führt vom Hauptbahnhof direkt zum Großmarkt. Doch wer will die U-Bahn überhaupt und wozu dient sie? Hier ein erste Antwort: Genug gemurkst!
Und wieviele Millionen kostet die Verlegung des Großmarktes?
Die Großmarktverlegung in Köln ist Teil eines größeren Bau- und Bahn-Zerstörungsprojektes (übrigens genau wie in Stuttgart, hier wie dort, soll die Bahn verschwinden oder unter die Erde geschafft werden)!
Die Stadt Köln hat nun eine vorbereitende Untersuchung und ein Entwicklungskonzept für das Großmarktgelände, den Güterbahnhof Bonntor, der Raderberger Brache und weitere anliegende Gebiete vorgelegt. In der südlichen Südstadt soll nun ein neues Veedel entstehen.
Hier eine interessante Analyse zu der Bau-Entwicklung in der Südstadt.
Um die Bürger vom Wert dieser Planung zu überzeugen, wird gesagt das hier auf dem Großmarktgelände und den anliegenden Gebieten erst einmal eine Bundesgartenshow veranstaltet werden soll. Doch dient das der Naturerhaltung und den Interessen der Bürger? "Kein Platz für die Natur - das Auslaufmodell Bundesgartenschau". Und hier ein weiteres Beispiel für den Unsinn von Gartenschauen.
Der Großmarkt soll nach Köln-Marsdorf verlegt werden. Hier die Internetseite der Bürgerinitiativen, die sich dagegen wehren:
Die Bürger-Interessen-Gemeinschaft Junkersdorf e.V. und Dorfgemeinschaft Sielsdorf e.V..
Hier noch: Der Arbeitskreis "Großmarkt" der Dorfgemeinschaft Hürth-Sielsdorf informiert.
Auch der Kölner Stadtanzeiger berichtet: Großmarktgegner machen mobil.